Spielen nach Gehör – so wirst du frei auf deiner Fiddle

Das Spielen und Lernen nach Gehör, also ohne Noten kann uns Musiker*innen eine große Freiheit schenken. Wer möchte nicht spontan in einer Session mitspielen oder ein Solo improvisieren können?

Viele von uns, die Geige oder ein anderes Instrument klassisch gelernt haben, kennen es: Das Notenblatt vor uns gibt uns Sicherheit. Es sagt uns genau, was zu spielen ist. Doch was passiert, wenn das Notenblatt plötzlich wegfällt? Wie können wir lernen, Melodien frei und ganz ohne Noten zu spielen oder spontan zu improvisieren? Was sind die Unterschiede zwischen Lernen nach Noten und Lernen nach Gehör? Und warum lohnt es sich, den Weg zum Spielen ohne Noten zu beschreiten?

Wofür Noten gut sind – und warum sie uns manchmal blockieren

Notenlesen ist ein hervorragendes Werkzeug. Noten sind das für die Musik, was Buchstaben für die Sprache sind. Mit Noten können wir Melodien festhalten, nach Noten können wir schnell neue Stücke erfassen und spielen. Aber Noten haben auch ihre Tücken: Wenn wir uns auf sie verlassen, verlieren wir ein Stück weit den Zugang zu unserer kreativen Freiheit – denn die Noten sagen uns ja genau, was wir wie spielen sollen! Und wenn wir dann auf einmal keine Noten mehr haben, stehen wir gerne wie der Ochs vorm Berg und wissen gar nicht, was nun zu tun ist – obwohl wir unser Instrument doch eigentlich gut beherrschen. Nach Gehör zu spielen kann uns eine neue Welt eröffnen und uns ermöglichen, Musik auch „aus dem Bauch heraus“ zu spielen; so wie wir im Gespräch Worte frei wählen und unsere eigenen Gedanken zum Ausdruck bringen, anstatt sie irgendwo abzulesen.

Der Weg zum Lernen nach Gehör

Wenn du ein Stück nach Gehör lernst, geht die Melodie direkt vom Ohr in die Finger – sie muss keinen Umweg über die Augen, also die Noten nehmen. Das dauert zwar etwas länger – dafür bleibt dir die Melodie aber für immer erhalten, und du wirst sie auch nach Jahren des Nichtspielens immer wieder abrufen können, wenn du sie einmal richtig gelernt und verinnerlicht hast. 

Die Freiheit, nach Gehör zu spielen

Eine Melodie, die wir nach Gehör lernen, ist eine Art Grundgerüst, das wir ganz nach unseren Vorlieben interpretieren dürfen. Mit Verzierungen, Bindungen, Phrasierungen oder auch Variationen der Melodie können wir herumspielen und uns nach Belieben unsere eigene Version erschaffen. Du kennst sicherlich das „Stille Post“-Spiel, bei dem eine Nachricht durch Flüstern von Person zu Person verändert wird. Ähnlich ist es bei traditionellen Folk-Tunes, die oft nach Gehör weitergegeben werden: Sie werden bei jeder Weitergabe leicht angepasst und kommen daher in vielen Varianten vor. Keine dieser Varianten ist „falsch“ – sie alle sind Ausdrücke desselben musikalischen Gedankens. Und wenn wir uns selbst eine Melodie ausdenken, die wir dann auf der Fiddle wiedergeben – also ein Solo spielen – haben wir die ultimative Freiheit erreicht!

Tipps für das Lernen nach Gehör

Wenn du jetzt Lust bekommen hast, selbst nach Gehör zu lernen, habe ich einige Tipps für dich:

Tipp 1: Höre die Melodie immer wieder. Der erste Schritt ist, ein Stück so oft zu hören, dass du die Melodie wirklich „im Ohr“ hast. Nutze langsame Abspielmodi auf YouTube, um den Details nachzuspüren.

Tipp 2: Sing die Melodie. Wenn du die Melodie mitsingen kannst, bist du dem Spielen bereits sehr nah. Auch wenn du in hohe oder tiefe Lagen gehen musst – hier geht es nicht um den Klang deiner Stimme, sondern um das Verankern der Melodie in deinem Gedächtnis.

Tipp 3: Probiere die Töne am Instrument aus. Finde zuerst den Anfangston und versuche dann, die Melodie auf deinem Instrument nachzuspielen. Der Prozess kann anfangs zäh sein, aber mit jedem Versuch wirst du schneller und sicherer.

Tipp 4: Kenne deine Tonleitern und Arpeggios. Hilfreich ist es, wenn du dich etwas in Musiktheorie auskennst – allen voran in Tonleitern und Akkorden (Arpeggios). Irish Folk Tunes bestehen meist aus a) Tonleitern b) Terztonleitern und c) Arpeggios. Wenn du die in den wichtigsten Tonarten drauf hast (ohne Noten versteht sich), kannst du dir die Melodien viel schneller merken.

Tipp 5: Übe Intervallerkennung. Intervallkenntnisse, also das Unterscheiden von Tonsprüngen wie Terzen, Quarten oder Sexten, helfen enorm beim Lernen nach Gehör.

Regelmäßiges Wiederholen – Der Schlüssel zum Langzeitgedächtnis

Je öfter du einen Tune wiederholst, desto tiefer verankert er sich in deinem Gedächtnis. Hier gilt der Grundsatz: Viel hilft viel! Irgendwann sitzt der Tune dann so gut, dass du ihn gar nicht mehr vergessen kannst. Wenn du einen neuen Tune lernst, kann es auch helfen, erstmal drüber  zu schlafen und dem Gehirn Zeit zu geben, die Melodie zu sortieren. Oft ist sie am nächsten Morgen wie ein Wunder einfach da!

Fazit: Warum Lernen nach Gehör eine lohnende Herausforderung ist

Nach Gehör zu lernen und zu spielen, mag anfangs mühsam erscheinen, ist aber ein direkterer, intuitiverer Weg, Musik zu spielen, als mit dem Notenblatt vor Augen. Es gibt uns die Freiheit, die Musik so zu gestalten, wie wir es wünschen, und uns so auszudrücken, wie wir es fühlen. Durch das Weglassen von Noten können wir im wahrsten Sinne des Wortes „spielen“ und unserer Kreativität freien Lauf lassen und letztendlich authentischer und mit mehr Spaß Musik machen. Hört sich das gut an?

Lass mich gerne wissen, wie deine Erfahrungen mit dem Lernen nach Gehör sind. Fällt es dir leicht oder schwer? Und welche Tipps hast du?

Dieser Blogbeitrag ist eine Zusammenfassung der Podcastfolge #09 – Trau deinen Ohren! Du kannst sie dir hier oder auf deiner bevorzugten Podcastplattform anhören! 

 

 

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