fiddle di du – der Podcast rund ums Fiddeln
Podcastfolge #06 – Erkenntnisse aus den Fiddle Camps
Hallo, herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Fiddle di du, dem Podcast rund ums Fiddeln. Bei mir ist auch die Sommerpause jetzt endgültig vorbei. Ich war auf zwei Fiddle Camps und bin jetzt zurück und ich dachte mir, ich erzähle euch heute einfach mal meine Erkenntnisse aus den beiden Camps, auf denen ich war.
Ich war wie gesagt auf zwei Camps, das erste war Haugaard‘s International Fiddle School, den Link packe ich auch in die Show Notes. Da bin ich eigentlich fast jedes Jahr, jetzt seit zehn Jahren schon. Es war jetzt zweimal ausgefallen wegen Corona, und dieses Jahr hat es Gott sei Dank wieder stattgefunden. Und es war natürlich ganz toll, ich habe ganz viele alte Freunde wieder getroffen, das ist fast ein bisschen wie ein Familientreffen inzwischen. Aber natürlich waren auch viele neue Leute da, und ja, ich bin einfach sehr froh, dass es wieder stattgefunden hat, und wir haben die ganzen alten Tunes rausgekramt, und wie das so ist, wenn man dann abends in der Session sitzt, hört man einen Tune, den man seit Ewigkeiten nicht gespielt hat, aber die Finger wissen immer noch genau, was sie zu tun haben, und das ist ein ganz tolles Gefühl. Unterrichtet haben auf der Haugaard’s Fiddle School wieder Harald Haugaard natürlich und dann Hanneke Cassel und Kevin Henderson und Peter Cooper sind altbekannte Unterrichtende auf Haugaard’s Fiddle School. Neuzugang war dieses Jahr Emma Reid aus Großbritannien beziehungsweise Schweden, ein sehr bereichernder Neuzugang möchte ich sagen, es hat mir wirklich sehr gefallen, der Unterricht bei ihr, und von ihr werde ich nachher noch mal was erzählen. Vielleicht noch mal kurz was zum Ablauf bei Haugaard‘s International Fiddle School: Das ist wie gesagt eine Fiddle School, das heißt, es geht hauptsächlich um das Instrument Fiddle, und es gibt also verschiedene Klassen von Beginners bis zu Super Advanced, die immer zusammen bleiben, also die nach Level, nach Spiellevel eingeteilt sind, und die Lehrer rotieren dann. Es gibt jeden Morgen Workshops und nach dem Mittagessen auch nochmal ein oder zwei Stunden, dann gibt es Afternoon Activities, wo verschiedene Sachen angeboten werden und Abends ist auch immer noch mal irgendwas Besonderes. Und das Ganze dauert eine Woche, also fünf Tage plus An- und Abreisetag.
Als zweites war ich dann noch auf der Radix Musikwerkstatt. Das ist eine Musikwerkstatt in Vorarlberg, in Österreich im Großen Walsertal. Das ist ein bisschen anders konzipiert, es ist erstens etwas kürzer, das sind dreieinhalb Tage, es gibt eine, nein, es gibt zwei Fiddle-Klassen, wobei die eine eher für Kinder gedacht ist und die andere ist dann für fortgeschrittene erwachsene Geiger. Es gibt außerdem noch eine Klasse für Kontrabass Spieler:innen, es gibt eine Jodel-Klasse, diesmal gab es Steirische Harmonika. Also das wechselt immer wieder mal und wie gesagt, das Konzept ist ein bisschen breiter aufgestellt für verschiedene Instrumente. Bei der Radix Musikwerkstatt war in diesem Jahr die Veera Kuisma, eine junge finnische Geigerin, als Dozentin da. Ich war auch ganz begeistert von ihr, sie hat uns tolle Tunes beigebracht und das auch sehr gut gemacht. Antti Järvelä war leider verhindert und hat deswegen eine seiner Schülerinnen geschickt und hat da auf jeden Fall eine gute Wahl getroffen. Auch bei der Radix Musikwerkstatt gibt es dann jeden Tag vormittags und nachmittags Workshops und abends trifft man sich zur Session, und getanzt wird auch sehr viel und gerne. Es wird gejodelt und es gibt auch bei der Radix Musikwerkstatt genauso wie bei Haugaard‘s International Fiddle School ein Abschlusskonzert. Das ist auch immer ganz toll, da präsentiert quasi jede Klasse, was sie so gelernt hat über die Tage, und bei der Haugaard’s Fiddle School ist es auch so, dass viele der Tunes, die gelernt werden, werden eben von allen gelernt und dann eben auch mit allen zusammen gespielt, das ist besonders schön.
Nun möchte ich aber gerne zu meinen Erkenntnissen kommen, über die ich noch mal so ein bisschen nachgedacht habe, nachdem ich zurückgekehrt bin. Zu allererst ist es natürlich so, dass man unglaublich viele Tunes lernt, und man lernt sie alle nach Gehör. Es gibt zwar auch Noten, die werden dann im Nachhinein ausgeteilt, aber das Lernen findet erst mal nach Gehör statt, das heißt, das Gehirn wird ganz schön beansprucht. Von daher jetzt ein paar Tipps, wenn Ihr mal auf so einen Workshop geht und Tunes nach Gehör lernt. Der erste Tipp wäre, ihr müsst diese Tunes unbedingt aufnehmen. Mittlerweile hat jedes Smartphone eine Aufnahmefunktion, das heißt du kannst einfach mit dem Handy alles mitschneiden, einmal den Tune aufnehmen. Eigentlich ist es immer so, dass der Lehrer oder die Lehrerin das einmal für die Aufnahme vorspielt, langsam, damit man dann sich dran erinnern kann. Und das ist auch wirklich, wenn man diese ganzen Tunes lernen möchte, dann muss man sie sich zwischendurch immer mal wieder anhören, weil man braucht diese Erinnerungsstütze, vor allem wenn man keine Noten dazu hat. Wenn man nun einen neuen Tune lernen möchte und man hört ihn zum ersten Mal, dann kann ich euch einen tollen Tipp von Emma Reid ans Herz legen, und zwar sie nennt es „geographical listening“, also geografisches Zuhören, sprich wenn ihr einen Tune hört zum ersten Mal, dann versucht mal, diesen Tune geografisch zu hören. Was heißt das? Ihr könnt euch zum Beispiel merken, auf welchem Ton fängt der A-Teil an? Auf welchem Ton fängt der B-Teil an? Geht es nach dem ersten Ton aufwärts oder abwärts, wie ist der Verlauf der Melodie? Ihr könnt euch eine Landschaft dazu vorstellen, wo sind lange Töne, wo sind schnelle Läufe? Also versucht diesen Tune irgendwie einzuordnen und ihn quasi euch bildlich vorzustellen. Das ist schon mal eine gute Methode, um einen Einstieg in einen neuen Tune zu finden.
Ein weiterer Erfahrungswert, den ich gern mit euch teilen möchte: Wenn ihr einen neuen Tune lernt und ihr habt ihn direkt nach der Stunde wieder vergessen und zweifelt an euch selbst: Verzagt nicht, manchmal muss man wirklich erst einmal drüber schlafen und am nächsten Tag ist er wie ein Wunder wieder da. Also gebt eurem Gehirn Zeit, diese Noten, das Neue zu verarbeiten und zu sortieren. Wenn ihr drei, vier, fünf Tunes am Tag neu lernt, das ist völlig klar, dass man da durcheinander kommt. Also gebt eurem Gehirn die Zeit, versucht einigermaßen Schlaf zu bekommen, damit ihr auch ausgeruht seid am nächsten Tag. Ich weiß, das ist auf solchen Camps nicht immer einfach, das mit dem Schlafen, es ist auch immer gut, einen Mittagsschlaf einzulegen. Das Gehirn muss das alles erst mal verarbeiten, aber wenn ihr das einmal gelernt habt, dann ist das auch irgendwo in euren Gehirnzellen verankert. Das Tolle an diesen Camps ist auch jetzt im Vergleich zu einem Online Workshop: Ihr wiederholt den Tune automatisch immer wieder über die ganze Woche und das ist auch wichtig, wenn ihr einen Tune wirklich lernen wollt, wenn er ihn im Kopf haben wollt, wenn ihr ihn auch in einem Jahr sofort wieder abrufen können wollt, dann müsst ihr ihn wiederholen, wiederholen, wiederholen, spielen, spielen, spielen, immer wieder, zwischendurch, wenn ihr auf eurem Zimmer seid, ihr könnt ihn auch vor euch vor euch hersummen, manchmal hat man ja so einen Ohrwurm, dann hat man die Melodie immer im Kopf. Auch das ist Üben, ich sag ja immer, hören ist das halbe Üben, ihr spielt den abends in der Session und so weiter. Also: Spielen, spielen, spielen ist wirklich der Weg, um sich so einen Tune zu merken, ohne jemals Noten dafür zu brauchen. Und zu guter Letzt, wenn ihr dann am Ende einer solchen Woche beispielsweise 15 Tunes gelernt habt, was wirklich eine Menge ist: Ihr müsst sie euch nicht alle merken, es gibt immer auch Tunes dabei, die werden nicht so euer Fall sein, und dann lernt man die einmal und dann darf man die auch wieder vergessen, denn wir wollen ja vor allem noch Platz haben im Gehirn für all die schönen Tunes, die da noch kommen, und man muss auch kein schlechtes Gewissen haben, wenn man dann so einen Tune wieder vergisst. Es schadet nicht, die einmal zu lernen, aber wie gesagt, es zwingt euch niemand, dass ihr euch wirklich alle behalten müsst.
Das Tolle an diesen Camps ist natürlich vor allem, dass man dazu kommt, mit anderen zusammen zu spielen. Das ist etwas, was natürlich viel zu kurz kommt, wenn man im Einzelunterricht ist oder wenn man online arbeitet, wirklich zusammen zu spielen und neben sich einen oder zehn oder 50 weitere Spieler zu haben, mit denen man eben gemeinsam Musik macht, alleine dieses Gefühl ist so toll und so schön und so bereichernd, dass alleine das schon Grund ist, zu einem Fiddle Camp zu fahren. Und mir ist das jetzt auch wieder klar geworden diesen Sommer, nachdem wir nun zwei Sommer lang darben mussten. Die Radix Musikwerkstatt hat im letzten Jahr schon stattgefunden. Das war schon toll, aber das war immer noch nicht genug für meine Verhältnisse. Und ich brauch das wirklich jeden, jeden Sommer, dass ich die Gelegenheit habe, mit Gleichgesinnten einfach zusammen zu kommen, und wenn man das halt öfter macht, dann kann man eben auch die ganzen Tunes, die man in den letzten Jahren gelernt hat, immer wiederholen und üblicherweise, wenn man dann nach Hause fährt, hat man niemanden, mit dem man diese Tunes spielen kann, aber wenn man dann wieder seine Fiddle Camp Freunde trifft, dann kann man die ganzen alten Tunes wieder rausholen und spielen.
Ich möchte euch gerne von einer Übung erzählen, die Emma Reid mit uns gemacht hat und die ich ganz toll fand, und zwar hatten wir einen Tune gelernt, der zweistimmig war. Jeder durfte sich aussuchen, welche Stimme er spielen möchte, und dann sind wir mit unseren Geigen durch den Raum gegangen, haben den Tune gespielt und sind immer bei einer Person stehen geblieben und haben auf das Gegenüber gehört, was der gespielt hat, mussten aber selber natürlich laut genug spielen, damit unser Gegenüber uns auch hört. Das war wirklich eine ganz tolle Übung, mal gar nicht darauf zu achten, was man selber spielt, sondern nur darauf zu achten, was das Gegenüber spielt und andersherum, also das und das ergab irgendwie so eine ganz besondere Verbindung, und das, das hat, das war wirklich noch mal eine sehr schöne Erkenntnis für mich, was es eigentlich bedeutet, mit anderen Musik zu machen, das bedeutet eben nicht einfach nur, dass ich was spiele, und der neben mir spielt auch was, und im besten Fall hört sich das zusammen gut an, sondern es geht darum, mit dem anderen in Verbindung zu gehen und ja sich quasi zu syncen, um mal so ein englisches Wort zu benutzen, aufeinander einzustimmen und dadurch etwas zu erschaffen, eine Musik zu erschaffen, die in ihrer Gesamtheit größer ist als ihre Einzelteile. Ich möchte euch hiermit dazu ermuntern, wenn ihr das nächste Mal mit anderen Leuten zusammen spielt, mal nicht darauf zu achten, was ihr selber spielt, sondern wirklich nur auf die anderen zu hören und dann mal zu gucken, was es mit euch macht und was das mit der Musik macht.
Ein weiteres tolles Erlebnis, das ich hatte, das war auf der Radix Musikwerkstatt, denn dort war auch ein Tänzerpaar, die natürlich Tänze auch angeleitet haben für die Teilnehmer, aber die sind eben auch in die Gruppen gegangen und haben zu unserer Musik getanzt und die Musik, die wir gespielt haben, die wir gelernt haben, war halt Folk, und Folk ist Tanzmusik und wir haben zum Beispiel Polskas gelernt und dann haben die eine Polska zu unserer Musik getanzt, und dann zu erleben, was es mit uns macht, die Tänzer zu sehen, und wie die Tänzer auf unsere Musik reagieren, das war auch noch mal so ein ganz besonderes Erlebnis. Und auch da schaut doch mal, wenn ihr einen Tune spielt, stellt euch vor, dass ihr für einen Tänzer spielt oder für ein Tänzerpaar und schaut mal, was es mit euch macht. Im besten Fall habt ihr sogar die Gelegenheit, bei einer Bal Folk Veranstaltung zum Beispiel tatsächlich für Tänzer:innen zu spielen, oder wenn ihr selber tanzt, achtet einfach mal genau auf die Musik und was das mit euch macht, wenn ihr zu Livemusik tanzt, denn das ist natürlich immer was anderes, als wenn man zu einer CD tanzt. Da kann das Timing ein bisschen schwanken und es kann schneller werden oder mal langsamer werden, was überhaupt nicht schlimm ist, dafür ist es live, aber diese Verbindung, die da entsteht zwischen Tänzer:innen und Musiker:innen ist also auch noch mal was ganz Besonderes.
Ja und last but not least, wenn man auf ein Fiddle Camp fährt, dann trifft man Freunde fürs Leben. Das ist wirklich so, das kann ich wirklich aus eigener Erfahrung sagen: Die Freunde, die ich auf Fiddle Camps gemacht hab, sind mir sehr nah. Und das beschränkt sich eben nicht darauf, dass man sich einmal im Jahr auf dem Fiddle Camp trifft, sondern das kann natürlich auch zu engeren Freundschaften führen. Ich habe zum Beispiel mit einer Fiddlecampfreundin dann mal Urlaub gemacht und wir haben Straßenmusik in der Schweiz gemacht. Aus solchen Freundschaften können neue Bands und Projekte entstehen und natürlich einfach ganz wertvolle Verbindungen. Und ich freue mich jedes Jahr darauf, neue Leute kennenzulernen und neue Freundschaften zu knüpfen.
Ja, das sind so die Dinge, die mir diesen Sommer noch mal klar geworden sind. Einiges habe ich jetzt wahrscheinlich wiederholt zu der Folge, in der ich schon mal über Fiddle Camps geredet habe in der Folge, wo ich darüber erzähle, wie man das anstellt, wenn man Fiddle lernen will. Aber ich denke, das schadet nicht, wenn man das noch mal wiederholt. Ich hoffe, ihr konntet etwas mitnehmen aus dieser Folge. Vielleicht habe ich euch inspiriert, demnächst selber mal auf einen Workshop zu fahren, vielleicht fangt ihr mal mit einem Wochenende an, und ja, ich kann das wie gesagt nur empfehlen und es ist schön, wenn man für sich Musik machen kann, aber so richtig gut wird es erst, wenn man es mit anderen zusammen machen kann. An dieser Stelle möchte ich noch mal kurz auf meinen Fiddle School Club aufmerksam machen, wo ihr jetzt jederzeit eintreten könnt. Ihr findet alle Infos dazu auf meiner Webseite www.fiddleschool.de oder auf club.fiddleschool.de. Das ist zwar „nur online und digital“, aber ich sag mal, das ist besser als gar nichts und ihr lernt jeden Monat zwei neue Tunes, und vielleicht ist das ja was für euch als Einstieg beziehungsweise solange einfach keine Workshops stattfinden. Wenn euch die Folge gefallen hat, freue ich mich über eine gute Bewertung, ihr dürft den Podcast natürlich auch gerne teilen, da würde ich mich freuen, ansonsten wie gesagt alle Infos über mich und mein Angebot auf fiddleschool.de und ich melde mich dann demnächst wieder auf diesem Kanal mit einer neuen Folge. Bis dahin alles Liebe, fiddle on, eure Ulli.